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Hund oder Auto?
Über https://www.welt.de/kmpkt/article214833544/Oekologischer-Fussabdruck-Warum-Hunde-schlecht-fuer-die-Umwelt-sind.html kam ich zur unter https://www.mdpi.com/2071-1050/12/8/3394 zu findenden Studie und staunte nicht schlecht. Um es kurz zu machen, ist das Ergebnis das folgende:
Ein 13 Jahre lebender, 15 kg schwerer Hund produziert ca. 8,2 Tonnen CO2-Äquivalent. Das sind 631 kg pro Jahr.
Wenn nun ein aktueller Golf 113 g/km CO2 ausstößt, entspricht ein Hundejahr damit 5.582 km jährlicher Autofahrt. D.h. aber auch, dass ein Auto im Schnitt genauso viel zum Klimawandel beiträgt, wie zwei Hunde, denn die mittlere Jahresfahrleistung liegt bei um die 14.000 km.
Sollte nun ein Freitags-for-Future-Mensch sich fragen, was zu tun ist: Auf der Basis von 180 €/Tonne bedeutet das, dass die Hundesteuer eine CO2-Komponente von 9,47 €/Monat enthalten muss, was wirklich genauso machbar ist, wie das doppelte (20 € im Monat mehr schafft jeder Golf-Fahrer und jede Golf-Fahrerin).
Nur: FFF fordert natürlich erstmal nicht die Abschaffung von Fifi, weil sie sich der unzivilisierten Antwort gewiß sein kann…
In der EU alleine soll es übrigens ca. 87 Mio. Hunde geben.
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Sind Grüne Plaketten noch sinnvoll?
Meine kurze Antwort: Nein.
Lassen Sie mich begründen, warum das so ist.
Da derzeit über 90 Prozent der Autos die Abgasstandards für eine grüne Plakette erfüllen, erzielen die Umweltzonen mit ihren derzeitigen Kriterien kaum noch Wirkung.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/umweltzonen-in-deutschland#10-welche-grundlegenden-effekte-hatten-die-umweltzonen-bisherGut 98 Prozent der Pkw und über 85 Prozent der Lkw haben eine grüne Plakette.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/umweltzonen-in-deutschland#10-welche-grundlegenden-effekte-hatten-die-umweltzonen-bisherStand März 2021 sind in Berlin (s. oben) 98% aller PKW mit grüner Plakette ausgestattet.
Die verbliebenen 2% würden nur zu einem sehr kleinen Teil in eine der Umweltzonen einfahren, wenn sie denn nun plötzlich dürften.
Außerdem ist der Anteil der grünen Plaketten stark abnehmend, da sie ab 2008 für Neuwagen verpflichtend sind und nur sehr wenige Wagen über 12 Jahre alt sind, selbstredend mit abnehmender Tendenz, weil gerade diese älteren Autos in erheblichem Umfang durch modernere Wagen ersetzt werden.
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Gibt es eine Post-Corona-spezifische Klimarettung oder ist Tempo 130 unsere Rettung?
Stand der Dinge
In den Stand 11/2021 stattfindenden Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, dass Grüne und Rote ihre Vorliebe für Staatsdirigismus ausleben möchten.
Z. B. zeigt sich Annalena Baerbock darüber enttäuscht, dass das mit dem Tempolimit wohl nichts wird:
„Nachdem ein Tempolimit auf Autobahnen gleich zu Anfang von der FDP kassiert wurde, fragen sich die Grünen, wie es im Verkehrssektor nun zu CO2-Einsparungen kommen soll. “
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus234927836/Ampel-Verhandlungen-Das-grosse-Grummeln-bei-den-Gruenen.htmlNun wäre zu fragen, warum es ausgerechnet das Tempolimit richten soll, wenn an anderer Stelle die E-Mobilität im Vordergrund steht, denn E-Mobilität und Tempo 180 schließen sich de facto aus.
Die Einsparungen (ca. 2 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr), die im Web herumgeistern sind sämtlich nicht begründet oder wenigstens plausibilisiert, dafür aber gerne mit Halbwahrheiten angereichert. Für letzteres möchte ich das Umweltbundesamt anführen:
„Ein Tempolimit auf Autobahnen hilft uns, die Treibhausgas-emissionen des Verkehrs in Deutschland zu senken. Bei Tempo 120 km/h liegen die Einsparungen bei 2,6 Millionen Tonnen jährlich. Selbst ein Tempolimit von 130 km/h reduziert die Emissionen bereits um 1,9 Millionen Tonnen – und zwar sofort und praktisch ohne Mehrkosten.“
https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/tempolimit-auf-autobahnen-mindert-co2-emissionenLaut UBA würde also Tempo 120 6,6% (entsprechend 4,9% bei 130 km/h) der CO2-Emissionen von PKW und leichten Nutzfahrzeugen auf Autobahnen „praktisch ohne Mehrkosten“ einsparen.
Das ist richtig und doch gelogen, denn die Emission dieser Fahrzeuge beträgt nur 39,1 Mio. Tonnen/a, die Emission des Gesamtverkehrs liefert umwerfende 163 Mio. Tonnen.
D.h. relativ zur Gesamtemission sind die projizierten 2,6 Mio. Tonnen nur 1,6% wert, bezogen auf die in Rede stehenden Tempo 130 ergibt das 1,2% Einsparung.
Um es kurz zu machen: So werden wir das Klima nicht retten.
Außerdem schummelt das UBA natürlich, wenn es von „praktisch keinen Mehrkosten“ ausgeht, denn wenn ein Manager auf 100 km Strecke einen Schnitt von 180 km/h statt 130 km/h hinbekommt, ist er nicht in 46 Minuten da, sondern in 33 Minuten, das spart also ca. 25 € und kostet an Sprit ca. 5 l, bei heutigen Dieselpreisen also um die 7,50 €. Das ist nicht nichts und exakt der Grund, warum Gutverdiener beizeiten das Flugzeug dem Zug vorziehen oder den ICE dem Regionalexpress.
Corona-Effekte
Der erste Lockdown im Frühjahr habe bis zu 80 Prozent weniger Verkehr auf den NRW-Autobahnen zur Folge gehabt. „Bis zum Herbst erreichten die Verkehrsmengen dann aber mit gut 90 Prozent wieder beinahe das Vorjahresniveau.“ In der Folge habe es vor allem auf den hoch belasteten Strecken auch wieder mehr Staus gegeben. „Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt: Schon 20 Prozent weniger Verkehr bedeutet, dass der Verkehr auch in den Stoßzeiten flüssiger ist“, unterstrich NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU).
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verkehr-gelsenkirchen-weniger-autobahn-verkehr-im-corona-jahr-weniger-stau-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-201223-99-792212Dürfen wir also darauf hinweisen, dass Verkehrsvermeidung selbst nach Wiederanlaufen des Verkehrs mindestens das 8,3-fache der Verheißungen eines Tempolimits einbrachte?
Heuristik
Was aber wäre eine Alternative zum rotgrünen Lieblingsmittel (dem Verordnen des Verbots des Schnellfahrens)?
Nun, meine Heuristik sieht nach wie vor so aus:
- Weighted Shortest Job First,
- Vermeidung vor Ersatz.
Weighted Shortest Job First (WSJF) is a prioritization model used to sequence jobs (eg., Features, Capabilities, and Epics) to produce maximum economic benefit.
https://www.scaledagileframework.com/wsjf/, © Scaled Agile, Inc. Read the FAQs on how to use SAFe content and trademarks here: https://www.scaledagile.com/about/about-us/permissions-faq/
Explore Training at: https://www.scaledagile.com/training/calendar/Im WSJF-Modell würde man sich also fragen, was mit den wenigsten Mitteln frühestmöglich den größten positiven Effekt bewirkt. Spoiler Alert: Elektromobilität steht dann garantiert nicht auf Platz eins.
Verkehrsvermeidung
Gerade die Corona-Erfahrung hat also gezeigt, dass das erzwungene Corona-Homeoffice 80% Verkehrsverminderung brachte. Wenn wir es also schaffen, verteiltes Arbeiten auch nur in Bruchteilen dieses Lockdown-induzierten Spitzenwerts wieder zu erreichen, haben wir deutlich mehr erreicht als mit jeder Geschwindigkeitsbeschränkung.
Und das kommt beileibe nicht nur der Umwelt zugute, denn andere Effekte werden sehr, sehr gerne vergessen:
- Einzelfahrten sind in der Regel völlig unproduktiv, kosten also Freizeit oder Arbeitszeit. Ein Angestellter mit 60.000 € Jahreseinkommen und 1.500 Stunden Jahresarbeitszeit hat einen eigenen Stundensatz von 40 €.
- Die reinen Spritkosten sind marginal im Verhältnis zu den Gesamtkosten: Bei 1,50 €/l Diesel kostet der Kilometer im Golf 0,09 €, während der ADAC im Winter 2021/2022 dem VW Golf 2.0 TDI SCR Life mit kleinem Motor (!) Gesamtkosten von 0,52 €/km attestiert. Sprit macht also nur 17% der Gesamtkosten aus.
- Die Autobahnen sind in den Ballungszentren alle an ihren Belastungsgrenzen, d.h. erfordern jenseits der hauptsächlich LKW-bedingten Reparatur seit Jahrzehnten die immerwährende Verbreitung, d.h. Naturzerstörung. Mit einer Verkehrsabnahme nimmt plötzlich der Verkehrsfluss, d.h. die durchschnittliche Geschwindigkeit überproportional zu.
- Wenn (im immer noch häufigen klassischen Rollenmodell…) der Vater von Bochum nach Düsseldorf fährt und seine Frau in Bochum Lehrerin ist, kann nur eine Person das kränkelnde Kind mittags von der Kita abholen: Die Frau. Wenn der Mann zuhause oder mindestens in der Nähe seines Wohnortes bliebe, könnte er zwischen zwei Businessterminen auschecken, das Kind nachhause holen und wieder einchecken. Was ist das wert?
- Im Homeoffice ist alles billiger: Das Essen, der Kaffee, das Wasser.
Alles in allem tippe ich für unser Bochum-Düsseldorf-Szenario (50 km One-Way…) auf tägliche Einsparungen von…
- 14,2 kg CO2
- 52 € Autokosten, 80 € Freizeit und 5 € pro Tag an Lebensmittelkosten addieren sich zu einem Tagesgewinn von 138 €. Der steuerliche Effekt kann noch unberücksichtigt bleiben, weil bis 4.800 € Kosten die Fahrt trotzdem abgerechnet werden dürfen, wenn nur ein Auto in der Familie verbleibt.
- Wenn ein Kilometer Autobahn 20 Mio. € kosten und 30 Jahre halten, kosten sie bei 80.000 Verkehrsteilnehmern übrigens nur 1,14 pro Nase und Tag.
- Der Gewinn an Lebensqualität ist wohl kaum zu monetisieren.
In Summe bringen 10.000 weniger Pendler auf einer einzigen Autobahn der A52 zwischen Essen und Düsseldorf eine Einsparung von 31.000 Tonnen CO2 (220 Arbeitstage) und jedem einzelnen Pendler 11.000 € mehr in der Tasche und fast 500 Stunden mehr Freizeit.
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Merkwürdiges rund um Tempo 30 in Innenstädten
UBA vs. Sättigungsverkehrsstärke
Tempo 30 wird in der Straßenverkehrsordnung als Regelfall für bestimmte Zonen ausgewiesen: https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.html
Darin sieht auch man, dass die Zonen-Anorddnung explizit nicht für bestimmte Straßen ausgesprochen werden darf:
Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken.
https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.htmlZusätzlich hat sich in zahllosen Gruppen die Ansicht durchgesetzt, dass Tempo 30 irgendwie besser als Tempo 50 ist. Dieser Ansicht verschaffen sie aber nicht über eine Änderung des § 3 Satz (3) Geltung, sondern versuchen das scheibchenweise mittels Dehnung der Sonderregelungen des § 45 aus Satz (9) 6. Und dort finden sich auch für Bundesstraßen und für Straßen mit überörtlichem Verkehr reichlich Gründe für die Dehnung, wenn die folgenden Einrichtungen den „unmittelbaren Bereich“ betreffen:
- Kindergärten,
- Kindertagesstätten,
- allgemeinbildenden Schulen,
- Förderschulen,
- Alten- und Pflegeheimen oder
- Krankenhäusern
Wohlgemerkt geht es hier nicht um eine Gefährdung, wobei „unmittelbar“ alles zwischen direkt daneben und „irgendwie nah dran“ übersetzbar ist.
Diesen Ansatz gibt es auch beim Umweltbundesamt, dessen Präsident seit 2008 auch Mitglied der grünen Heinrich-Böll-Stiftung ist.
Dort findet man ein Paper, das offen für Tempo 30 wirbt und behauptet, dass das auch überhaupt keinen Unterschied macht. Was gelinde gesagt etwas merkwürdig ist, weil jedes Kind weiß, dass man schnell schneller zum Ziel kommt und langsam eben langsamer.
Die Sättigungsverkehrsstärke beträgt somit bei 50 km/h und bei 30 km/h grundsätzlich 2.000 Kfz je Stunde und Fahrstreifen.
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen_von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdfHier ist erst einmal festzuhalten, dass das Umweltbundesamt eine nicht übliche Definition des Begriffes Sättigungverkehrsstärke verwendet. Die TU Darmstadt sagt dazu:
Die verbreitete Definition der Sättigungsverkehrsstärke bezieht sich auf den Fahrzeugfluss während einer (fiktiven) Grünstunde, ist also unabhängig vom Einfluss des Phasenwechsels.
https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/prof_boltze/HEUREKA_2011_-Boltze_Wolfermann-_Zwischenzeiten.pdfUnd für diesen Fall gibt ein wenig Taschenrechnern darüber Auskunft, dass die Sättigungsverkehrsstärke bei „Abstand halber Tacho“ und Tempo 30 bei 1499 PKW liegt, bei Tempo 50 aber bei 1667.
Das heißt, von Tempo 30 auf Tempo 50 steigt dieser Wert um über 11%.
Hier die Formeln:
Berechnung der Sättigungsverkehrsstärke Daraus ist ersichtlich, dass die Funktion mit v gegen unendlich stetig wachsend gegen 7.200 geht.
Damit sollte klar sein, dass das UBA – um das einmal klar Namen zu nennen – lügt.
Allerdings wissen wir alle, dass es so falsch doch nicht ist…
Wenn wir dem miserablen Verkehrsfluss in deutschen Innenstädten einmal auf den Grund gehen so erkennen wir sehr schnell, dass es durchaus ein Problem gibt und dass dieses Problem nicht mit Höchstgeschwindigkeiten zu tun hat, sondern mit:
- Der drastischen Zunahme von Ampeln,
- der Angst vor Kreisverkehren, insbesondere in Kombination mit Straßenbahnen,
- der fehlenden Taktung der Ampeln,
- dem zunehmenden Verkehr,
- dem zunehmenden Lieferverkehr mit der StVO weitgehend ablehnend eingestellten Fahrern,
- der Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Abgelenktheit der Verkehrsteilnehmer,
- dem grundsätzlich eher erratischen Verhalten vieler Verkehrsteilnehmer,
- dem Rückbau von mehrspurigen PKW-Strecken zugunsten von Fahrradwegen,
- in Summe: Dem fehlenden Willen, Verkehrsflüsse zu maximieren, anstatt sie abzuwürgen.
Zur Ampelzahl
Auf der Herner Straße in Bochum, zwischen Nordring und Autobahn 43 liegen ca. 4 km Bundesstraße. Davon ist mehr als die Hälfte aus Gründen der „Luftreinhaltung“ mit Tempo 30 versehen, was einen weiteren Artikel wert ist.
Auf diesen vier Kilometern finden sich mindestens elf Ampeln, d.h. ca. alle 360 m eine.
Mindestens die Ampeln bei Tempo 50 (A40 bis Innenstadt, Länge: 1 km) sind in Richtung Innenstadt auf Grüne Welle bei 50 geschaltet, was aber nichts bringt, weil die Leute durch zahllose Verkehrsinseln, eine Markierung, die so in der StVO nicht vorkommt, den Rückbau auf ca. 2,5 Spuren und die vielen Ampeln so langsam fahren, dass sie es auch außerhalb der Rush-Hour praktisch niemals schaffen, die grüne Welle mitzunehmen. Daraus resultiert aber eine drastisch verminderte Durchschnittsgeschwindigkeit:
Während man bei durchgängig Tempo 50 für den Kilometer 72 Sekunden braucht, braucht es mit einer Rotphase von 60 Sekunden bereits ohne Brems- und Beschleunigungsvorgänge 132 Sekunden, was einer mittleren Geschwindigkeit von 27 km/h entspricht.
Bei Tempo 30 und einer Rotphase sieht der Fall übrigens so aus: Fahrtdauer netto: 120 Sekunden, mit einer Minute Rotlicht 180 Sekunden, mittlere Geschwindigkeit: 20 km/h.
Rechnet man nun die Beschleunigungsvorgänge und die Verzögerungseffekte bei mehreren Wagen hinzu, ist der Unterschied zwischen Tempo 50 und 30 tatsächlich marginal.
Das liegt aber nicht an der Geschwindigkeit, sondern an der Vorliebe der Verwaltung, alle paar Meter eine Ampel als heiligen Gral der Verkehrslenkung zu realisieren.