Schlagwort: Umwelt
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Der Ukraine-Krieg und das CO2
Wenn 50% aller Gebäude in der Ukraine zerstört sein werden und jeder Bürger 25 qm Wohnfläche plus 15 qm Arbeitsfläche braucht, reden wir von 40.000.000 * 40 qm = 160 Mio. qm zu bebauender Fläche, die jeweils ca. 1 Tonne wiegen und ca. 1 Tonne CO2 pro qm für den Bau in die Luft einbringen. Ohne Straßen.
160 Mio. Tonnen CO2.
1 km Autobahn kostet um die 10.000 Tonnen CO2 (https://www.bundestag.de/resource/blob/835692/89d1ef927ee7f5f42292b95cf37109eb/WD-8-002-21-pdf-data.pdf). Die Ukraine hat knapp 14.000 km Fernstraßen.
Wenn auch hier 50% zerstört sind, kostet der Wiederaufbau der Fernstraßen 35 Mio. Tonnen CO2. Nicht-Fernstraßen gibt es ungefähr zehnmal so viele. Die lassen wir aber erst einmal weg…
Deutschland hat 2021 insgesamt 762 Mio. Tonnen CO2 in die Luft gepustet. Ein Tempolimit von 120 km/h soll nach Umweltbundesamt 2,6 Mio. Tonnen CO2 einsparen helfen.
Anders gesagt: Der Wiederaufbau alleine von Häusern und Straßen der Ukraine kostet das Klima genauso viel wie 75 Jahre Tempolimit.
Nur um einmal die Verhältnisse klar zu bekommen.
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Hund oder Auto?
Über https://www.welt.de/kmpkt/article214833544/Oekologischer-Fussabdruck-Warum-Hunde-schlecht-fuer-die-Umwelt-sind.html kam ich zur unter https://www.mdpi.com/2071-1050/12/8/3394 zu findenden Studie und staunte nicht schlecht. Um es kurz zu machen, ist das Ergebnis das folgende:
Ein 13 Jahre lebender, 15 kg schwerer Hund produziert ca. 8,2 Tonnen CO2-Äquivalent. Das sind 631 kg pro Jahr.
Wenn nun ein aktueller Golf 113 g/km CO2 ausstößt, entspricht ein Hundejahr damit 5.582 km jährlicher Autofahrt. D.h. aber auch, dass ein Auto im Schnitt genauso viel zum Klimawandel beiträgt, wie zwei Hunde, denn die mittlere Jahresfahrleistung liegt bei um die 14.000 km.
Sollte nun ein Freitags-for-Future-Mensch sich fragen, was zu tun ist: Auf der Basis von 180 €/Tonne bedeutet das, dass die Hundesteuer eine CO2-Komponente von 9,47 €/Monat enthalten muss, was wirklich genauso machbar ist, wie das doppelte (20 € im Monat mehr schafft jeder Golf-Fahrer und jede Golf-Fahrerin).
Nur: FFF fordert natürlich erstmal nicht die Abschaffung von Fifi, weil sie sich der unzivilisierten Antwort gewiß sein kann…
In der EU alleine soll es übrigens ca. 87 Mio. Hunde geben.
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40 kg Pestizide auf einen Hektar Bananenplantage…
Im Quarks Daily vom 11.01.2022 (https://www1.wdr.de/mediathek/audio/daily-quarks/audio-frieren-fuer-die-gesundheit–bananen-umweltfreundlicher-anbauen-100.html ca. bei 14:14…) wurde die Zahl genant: 40 kg Pestizide würden auf den Philippinen über’s Jahr auf einen Hektar Bananenplantage verteilt. Das schien der Sprecherin immens viel zu sein.
Aber ist das tatsächlich viel?
Nun: 40 kg auf 1 ha sind 40.000 g auf 10.000 qm und das ist gut zu rechnen: Es sind 4 g pro Quadratmeter und Jahr. Wenn das Pestizid also ein ähnliches spezifisches Gewicht wie Wasser hat, wird also 4 ml/qm verteilt. 100 l/qm ergeben 10 cm Schichtdicke, 10 l ergeben 1 cm, 1 l ergeben 1 mm, 100 ml ergeben 0,1 mm, 10 ml ergeben 0,001 mm.
4 ml pro Quadratmeter ergeben also eine Schichtdicke von 400 Nanometer. Das ist ungefähr ein Tausendstel eines menschlichen Haares oder ungefähr 4*10-9/2 = zwei Milliardstel des jährlichen Niederschlages von mindestens 2.000 mm.
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There Ain’t no Such a Thing As a Free Lunch
Das TANSTAFL-Prinzip…
TANSTAFL bei der Verkehrswende bedeutet, dass wir uns fragen, welche Nachteile wir in Kauf nehmen, wenn wir einfach eine „böse“ Fortbewegungsart durch eine „gute“ ersetzen. Anders gefragt: Wieviele Tote gibt es, wenn ein nennenswerter Anteil aller PKW-Fahrten nun mit dem Fahrrad erledigt wird?
Die Ausgangslage
2019 wurden nach Statista in Deutschland ca. 650 Mrd. km mit dem PKW gefahren. In einer Verkehrswende, die den Namen verdient, sollen nun 50% durch die Schiene, 30% durch E-Autos und 20%. durch Fahrräder erledigt werden. Das macht 130 Mrd. km pro Jahr.
Laut ilovecycling werden in Deutschland derzeit 25 Mrd. km mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dabei wurden ca. 450 Personen getötet.
Die bestimmt nicht paradiesische Zukunft
Wenn nun knapp fünfmal soviel Strecke gemacht wird, werden auch fünfmal soviel Menschen im Straßenverkehr sterben: 2.250 Personen. 2020 starben aber im Straßenverkehr nur ca. 2.700 Personen insgesamt, d.h. schon jetzt sind 16% aller Verkehrstoten Fahrradfahrer.
In der skizzierten Zukunft werden 70% der Autototen nicht mehr anfallen, das heißt aber, im E-Auto werden dann nur noch 810 Menschen sterben. Dafür werden allerdings 2.250 auf dem Fahrrad zu Tode kommen, so dass insgesamt 3.060 sterben werden, was heißt, dass ziemlich genau 73% aller Verkehrstoten dann auf dem Fahrrad sterben werden…
Volvos Zero Death Policy wird damit unerreichbar.
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Verteiltes Arbeiten vs. Zentralbüro
Meine Lieblingsstrecke ist und bleibt Bochum-Düsseldorf, weil die Entfernung ca. 50 km beträgt.
Das Team in Düsseldorf
Wir stellen uns 100 Beschäftigte vor, die in 10 Teams à 9 Arbeiterbienen und einer Vorgesetztenbiene arbeiten.
Diese 100 Personen pendeln täglich von Bochum nach Düsseldorf, 200 Tage pro Jahr, mit 140 g CO2/km.
Das macht jährlich 100*200*100*0,14 kg = 280 Tonnen CO2.
Auf Bochum verschobenes „Verteiltes Arbeiten“
Wenn wir uns vorstellen, dass die 100 Teammitglieder in Bochum (durchschnittliche Entfernung: 2,5 km vom Bochumer Büro) anstatt in Düsseldorf arbeiten und 10 von ihnen zusätzlich noch zwei Tage die Woche nach Düsseldorf fahren, haben wir folgendes erreicht:
Die CO2-Produktion sinkt auf 14 Tonnen für das Team plus 28 Tonnen für die Teamleads.
Das macht in Summe 42 Tonnen, also 85% Ersparnis im Verhältnis zum Ausgangspunkt.
Verteiltes Arbeiten plus Firmenbus für die Teamleads
Wenn wir uns vorstellen, dass der Arbeitgeber für die Fahrten nach Düsseldorf einen Firmenbus zur Verfügung stellt, der das doppelte eines Golf verbraucht, erzeugt die Pendelei der Teamleads 2*100*200*280 g CO2 = 11 Tonnen.
Damit läge die Ersparnis bereits bei (280-25)/280 = 91%.
Daddy, He Got a Tesla…
Wenn wir uns vorstellen, die 100 Teammitglieder kauften sich alle einen Tesla, würde das in der Gegend von 50.000 € * 100 = 5 Mio. € kosten.
Laut https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/bilanz-2019-co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom werden im Moment ca. 400 g CO2 pro kWh Strom erzeugt. Ein Tesla Model 3 verbraucht auf dem Papier 15 kWh pro 100 km, das sind dann 15 * 4 g CO2/km = 60 g CO2/km, also etwas weniger als 50% des Golf-Diesel der Beschäftigten.
Wenn man stattdessen 5 MB Sprinter Transfer 45 kauft, die das Arbeiten unterwegs ermöglichen, ist man in der Gegend von 0,5 Mio. € Invest bei 400 g CO2/km für 18 Passagiere, oder 1/3 der Umweltlast eines Tesla Model 3.
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Sind Grüne Plaketten noch sinnvoll?
Meine kurze Antwort: Nein.
Lassen Sie mich begründen, warum das so ist.
Da derzeit über 90 Prozent der Autos die Abgasstandards für eine grüne Plakette erfüllen, erzielen die Umweltzonen mit ihren derzeitigen Kriterien kaum noch Wirkung.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/umweltzonen-in-deutschland#10-welche-grundlegenden-effekte-hatten-die-umweltzonen-bisherGut 98 Prozent der Pkw und über 85 Prozent der Lkw haben eine grüne Plakette.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/umweltzonen-in-deutschland#10-welche-grundlegenden-effekte-hatten-die-umweltzonen-bisherStand März 2021 sind in Berlin (s. oben) 98% aller PKW mit grüner Plakette ausgestattet.
Die verbliebenen 2% würden nur zu einem sehr kleinen Teil in eine der Umweltzonen einfahren, wenn sie denn nun plötzlich dürften.
Außerdem ist der Anteil der grünen Plaketten stark abnehmend, da sie ab 2008 für Neuwagen verpflichtend sind und nur sehr wenige Wagen über 12 Jahre alt sind, selbstredend mit abnehmender Tendenz, weil gerade diese älteren Autos in erheblichem Umfang durch modernere Wagen ersetzt werden.
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Gibt es eine Post-Corona-spezifische Klimarettung oder ist Tempo 130 unsere Rettung?
Stand der Dinge
In den Stand 11/2021 stattfindenden Koalitionsverhandlungen zeichnet sich ab, dass Grüne und Rote ihre Vorliebe für Staatsdirigismus ausleben möchten.
Z. B. zeigt sich Annalena Baerbock darüber enttäuscht, dass das mit dem Tempolimit wohl nichts wird:
„Nachdem ein Tempolimit auf Autobahnen gleich zu Anfang von der FDP kassiert wurde, fragen sich die Grünen, wie es im Verkehrssektor nun zu CO2-Einsparungen kommen soll. “
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus234927836/Ampel-Verhandlungen-Das-grosse-Grummeln-bei-den-Gruenen.htmlNun wäre zu fragen, warum es ausgerechnet das Tempolimit richten soll, wenn an anderer Stelle die E-Mobilität im Vordergrund steht, denn E-Mobilität und Tempo 180 schließen sich de facto aus.
Die Einsparungen (ca. 2 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr), die im Web herumgeistern sind sämtlich nicht begründet oder wenigstens plausibilisiert, dafür aber gerne mit Halbwahrheiten angereichert. Für letzteres möchte ich das Umweltbundesamt anführen:
„Ein Tempolimit auf Autobahnen hilft uns, die Treibhausgas-emissionen des Verkehrs in Deutschland zu senken. Bei Tempo 120 km/h liegen die Einsparungen bei 2,6 Millionen Tonnen jährlich. Selbst ein Tempolimit von 130 km/h reduziert die Emissionen bereits um 1,9 Millionen Tonnen – und zwar sofort und praktisch ohne Mehrkosten.“
https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/tempolimit-auf-autobahnen-mindert-co2-emissionenLaut UBA würde also Tempo 120 6,6% (entsprechend 4,9% bei 130 km/h) der CO2-Emissionen von PKW und leichten Nutzfahrzeugen auf Autobahnen „praktisch ohne Mehrkosten“ einsparen.
Das ist richtig und doch gelogen, denn die Emission dieser Fahrzeuge beträgt nur 39,1 Mio. Tonnen/a, die Emission des Gesamtverkehrs liefert umwerfende 163 Mio. Tonnen.
D.h. relativ zur Gesamtemission sind die projizierten 2,6 Mio. Tonnen nur 1,6% wert, bezogen auf die in Rede stehenden Tempo 130 ergibt das 1,2% Einsparung.
Um es kurz zu machen: So werden wir das Klima nicht retten.
Außerdem schummelt das UBA natürlich, wenn es von „praktisch keinen Mehrkosten“ ausgeht, denn wenn ein Manager auf 100 km Strecke einen Schnitt von 180 km/h statt 130 km/h hinbekommt, ist er nicht in 46 Minuten da, sondern in 33 Minuten, das spart also ca. 25 € und kostet an Sprit ca. 5 l, bei heutigen Dieselpreisen also um die 7,50 €. Das ist nicht nichts und exakt der Grund, warum Gutverdiener beizeiten das Flugzeug dem Zug vorziehen oder den ICE dem Regionalexpress.
Corona-Effekte
Der erste Lockdown im Frühjahr habe bis zu 80 Prozent weniger Verkehr auf den NRW-Autobahnen zur Folge gehabt. „Bis zum Herbst erreichten die Verkehrsmengen dann aber mit gut 90 Prozent wieder beinahe das Vorjahresniveau.“ In der Folge habe es vor allem auf den hoch belasteten Strecken auch wieder mehr Staus gegeben. „Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt: Schon 20 Prozent weniger Verkehr bedeutet, dass der Verkehr auch in den Stoßzeiten flüssiger ist“, unterstrich NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU).
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/verkehr-gelsenkirchen-weniger-autobahn-verkehr-im-corona-jahr-weniger-stau-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-201223-99-792212Dürfen wir also darauf hinweisen, dass Verkehrsvermeidung selbst nach Wiederanlaufen des Verkehrs mindestens das 8,3-fache der Verheißungen eines Tempolimits einbrachte?
Heuristik
Was aber wäre eine Alternative zum rotgrünen Lieblingsmittel (dem Verordnen des Verbots des Schnellfahrens)?
Nun, meine Heuristik sieht nach wie vor so aus:
- Weighted Shortest Job First,
- Vermeidung vor Ersatz.
Weighted Shortest Job First (WSJF) is a prioritization model used to sequence jobs (eg., Features, Capabilities, and Epics) to produce maximum economic benefit.
https://www.scaledagileframework.com/wsjf/, © Scaled Agile, Inc. Read the FAQs on how to use SAFe content and trademarks here: https://www.scaledagile.com/about/about-us/permissions-faq/
Explore Training at: https://www.scaledagile.com/training/calendar/Im WSJF-Modell würde man sich also fragen, was mit den wenigsten Mitteln frühestmöglich den größten positiven Effekt bewirkt. Spoiler Alert: Elektromobilität steht dann garantiert nicht auf Platz eins.
Verkehrsvermeidung
Gerade die Corona-Erfahrung hat also gezeigt, dass das erzwungene Corona-Homeoffice 80% Verkehrsverminderung brachte. Wenn wir es also schaffen, verteiltes Arbeiten auch nur in Bruchteilen dieses Lockdown-induzierten Spitzenwerts wieder zu erreichen, haben wir deutlich mehr erreicht als mit jeder Geschwindigkeitsbeschränkung.
Und das kommt beileibe nicht nur der Umwelt zugute, denn andere Effekte werden sehr, sehr gerne vergessen:
- Einzelfahrten sind in der Regel völlig unproduktiv, kosten also Freizeit oder Arbeitszeit. Ein Angestellter mit 60.000 € Jahreseinkommen und 1.500 Stunden Jahresarbeitszeit hat einen eigenen Stundensatz von 40 €.
- Die reinen Spritkosten sind marginal im Verhältnis zu den Gesamtkosten: Bei 1,50 €/l Diesel kostet der Kilometer im Golf 0,09 €, während der ADAC im Winter 2021/2022 dem VW Golf 2.0 TDI SCR Life mit kleinem Motor (!) Gesamtkosten von 0,52 €/km attestiert. Sprit macht also nur 17% der Gesamtkosten aus.
- Die Autobahnen sind in den Ballungszentren alle an ihren Belastungsgrenzen, d.h. erfordern jenseits der hauptsächlich LKW-bedingten Reparatur seit Jahrzehnten die immerwährende Verbreitung, d.h. Naturzerstörung. Mit einer Verkehrsabnahme nimmt plötzlich der Verkehrsfluss, d.h. die durchschnittliche Geschwindigkeit überproportional zu.
- Wenn (im immer noch häufigen klassischen Rollenmodell…) der Vater von Bochum nach Düsseldorf fährt und seine Frau in Bochum Lehrerin ist, kann nur eine Person das kränkelnde Kind mittags von der Kita abholen: Die Frau. Wenn der Mann zuhause oder mindestens in der Nähe seines Wohnortes bliebe, könnte er zwischen zwei Businessterminen auschecken, das Kind nachhause holen und wieder einchecken. Was ist das wert?
- Im Homeoffice ist alles billiger: Das Essen, der Kaffee, das Wasser.
Alles in allem tippe ich für unser Bochum-Düsseldorf-Szenario (50 km One-Way…) auf tägliche Einsparungen von…
- 14,2 kg CO2
- 52 € Autokosten, 80 € Freizeit und 5 € pro Tag an Lebensmittelkosten addieren sich zu einem Tagesgewinn von 138 €. Der steuerliche Effekt kann noch unberücksichtigt bleiben, weil bis 4.800 € Kosten die Fahrt trotzdem abgerechnet werden dürfen, wenn nur ein Auto in der Familie verbleibt.
- Wenn ein Kilometer Autobahn 20 Mio. € kosten und 30 Jahre halten, kosten sie bei 80.000 Verkehrsteilnehmern übrigens nur 1,14 pro Nase und Tag.
- Der Gewinn an Lebensqualität ist wohl kaum zu monetisieren.
In Summe bringen 10.000 weniger Pendler auf einer einzigen Autobahn der A52 zwischen Essen und Düsseldorf eine Einsparung von 31.000 Tonnen CO2 (220 Arbeitstage) und jedem einzelnen Pendler 11.000 € mehr in der Tasche und fast 500 Stunden mehr Freizeit.
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„Home Office“ vs. Agile
Exec Summary
Das Home Office wird gerne als der wünschenswerte Zielzustand des durchdigitalisierten modernen mobilen Arbeitsplatzes gesehen.
Im Folgenden werde ich „Home Office“ ohne Anführungszeichen schreiben, obwohl der Begriff für Native English Speakers eher mit dem Innenministerium verbunden ist.
Die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass erhebliche Anteile der Dienstleistungsarbeitsplätze im Home Office möglich sind.
In diesem Text zeigen wir, dass dieser Home-Office-Arbeitsplatz agilen Kernwerten widerspricht.
Home Office ist eben grundsätzlich von teamweise an einem Ort arbeitender Beschäftiger zu unterscheiden. Diese Form wird Verteiltes Arbeiten genannt.
Dieser Art des Verteilten Arbeitens wird hohe Agilität und damit eine erhebliche Wertgenerierung unterstellt. Zudem erzeugt diese Form des Verteilen Arbeitens noch andere (in einem anderen Text betrachteten) Effekte:
- Drastische Reduktion des Pendelverkehrs.
- Reduktion des Bürobedarfs in Hochpreis-Arealen.
- Wiederbelebung der Unterzentren.
- Work-Life-Balance insbesondere für junge Familien.
Arbeitshypothesen
Individuals and Interactions over processes and tools
https://agilemanifesto.orgMeine Arbeitshypothesen aus Satz 1 des Agile Manifestes sind:
- Computer sind Tools. Menschen sind Individuen.
- Dass Menschen miteinander interagieren ist wichtiger als einen guten Jira-Workflow zu haben.
- Seiner Kollegin wortlos etwas in den (elektronischen) Eingangskorb zu legen, ist keine Interaktion.
- Interaktion ist Kommunikation. Computer als Interaktionspartner sind prinzipiell rückkopplungsarm, daher ist eine zweifach indirekte Interaktion (auf Senderseite und dann noch einmal auf Empfängerseite) über Computer prinzipiell der direkten Interaktion von Individuen unterlegen.
Zusammengefasst gilt:
Die beste Interaktion ist eine direkte Interaktion.
Working software over comprehensive documentation
https://agilemanifesto.orgMeine Arbeitshypothesen aus Satz 2 des Agile Manifestes sind:
- Umfangreiche Dokumentationen werden in isolierter Einzelarbeit erstellt.
- Dass Software funktioniert, erkennt man am besten, indem man sie ausprobiert, testet, mit ihr interagiert.
- Das etwas funktioniert, findet man am besten in einem Team von Fachleuten heraus, nicht, indem man das dem einzelnen (sic!) Entwickler überlässt.
Zusammengefasst gilt:
Funktionierende Software existiert erst dann, wenn die Funktionstüchtigkeit (jemandem, durch jemanden) gezeigt wurde.
Customer collaboration over contract negotiation
https://agilemanifesto.orgMeine Arbeitshypothesen aus Satz 3 des Agile Manifestes sind:
- Jeder Abnehmer eines Produktes/Artefaktes ist in diesem Sinne Kunde.
- Ein Vertrag verschriftlicht Anforderungen aneinander. Vertragsverhandlungen sind Interaktionen über den Inhalt gegenseitiger Anforderungen. D.h. es wird mit einem Vertrag „über Bande“ gespielt.
- Der direkte Austausch ist oft besser als eine ausgehandelte Verschriftlichung.
Zusammengefasst gilt:
Verträge liefern oft notwendige Leitplanken für gute Zusammenarbeit. Gute Zusammenarbeit geschieht aber am besten über möglichst unmittelbaren Austausch.
Responding to change over following a plan
https://agilemanifesto.orgMeine Arbeitshypothesen aus Satz 4 des Agile Manifestes sind:
- Veränderungen sind Teil der Realität.
- Ein Plan ist ein statisches Zielmodell über die Zukunft.
- Je schneller und je besser ich auf Veränderungen reagiere, umso besser wird mein Produkt.
- Veränderungen bekomme ich nur mit, wenn ich permanent und schnell interagieren kann.
- Aus Veränderungen resultieren sofort Planänderungen. Aus Planänderungen resultieren sofort Änderungen der Arbeitspakete, d.h. der Aufgaben jedes Teammitgliedes.
- Nur die direkte Interaktion stellt sicher, dass die Betroffenen die Veränderung registriert und verstanden haben. Nur die direkte Interaktion stellt sicher, dass die betroffenen eine Planänderung registriert und verstanden haben.
Zusammengefasst gilt:
Auf Veränderung reagiere ich am besten schnell. Direkte Interaktion liefert die schnellste Reaktion. Planänderungen sind Veränderungen.
Argumente gegen das Home Office
Home Office erfüllt die Voraussetzungen für agile Zusammenarbeit aus den folgenden Gründen nur schlecht:
- Direkte Kommunikation, d.h. Interaktion ist im Home Office prinzipiell nicht möglich.
- Die Interaktionsqualität wird maßgeblich von den eingesetzten Werkzeugen bestimmt und nicht durch die Qualifikation der Beschäftigten.
- Veränderung wird immer gefiltert und verzögert registriert, womit auch die Antwort auf Veränderung gefiltert und verzögert eintritt.
Argumente für Verteiltes Arbeiten
Verteiltes Arbeiten als Arbeiten in einem Team am gemeinsamen Ort erfüllt alle Voraussetzungen für agile Zusammenarbeit aus den folgenden Gründen perfekt:
- Team-Interaktion ist jederzeit von Angesicht zu Angesicht möglich.
- Die Qualität der Interaktion ist nicht mehr werkzeugabhängig.
- Über Werkzeuge besteht immer noch die Möglichkeit der Fernkommunikation.
- Veränderung wird sofort registriert, womit auch die Antwort auf Veränderung so schnell wie möglich eintreten kann.
- Mit Heimarbeit auftretende arbeitsrechtliche Probleme gibt es nicht.
- Neben diesen unmittelbaren Vorteilen für agiles Arbeiten gibt es noch viele weitere Vorteile:
- Wegfall von Pendelzeit, wenn die Teams wohnortbezogen entwickelt und aufgestellt werden.
- Wiederbelebung von Unterzentren.
- Weniger Bürokosten in den hochpreisigen Oberzentren.
- CO2-Einsparung.
- Work-Live-Balance durch Möglichkeit, zwischendurch für Kind oder Freizeit die Arbeit zu unterbrechen.
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Merkwürdiges rund um Tempo 30 in Innenstädten
UBA vs. Sättigungsverkehrsstärke
Tempo 30 wird in der Straßenverkehrsordnung als Regelfall für bestimmte Zonen ausgewiesen: https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.html
Darin sieht auch man, dass die Zonen-Anorddnung explizit nicht für bestimmte Straßen ausgesprochen werden darf:
Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken.
https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.htmlZusätzlich hat sich in zahllosen Gruppen die Ansicht durchgesetzt, dass Tempo 30 irgendwie besser als Tempo 50 ist. Dieser Ansicht verschaffen sie aber nicht über eine Änderung des § 3 Satz (3) Geltung, sondern versuchen das scheibchenweise mittels Dehnung der Sonderregelungen des § 45 aus Satz (9) 6. Und dort finden sich auch für Bundesstraßen und für Straßen mit überörtlichem Verkehr reichlich Gründe für die Dehnung, wenn die folgenden Einrichtungen den „unmittelbaren Bereich“ betreffen:
- Kindergärten,
- Kindertagesstätten,
- allgemeinbildenden Schulen,
- Förderschulen,
- Alten- und Pflegeheimen oder
- Krankenhäusern
Wohlgemerkt geht es hier nicht um eine Gefährdung, wobei „unmittelbar“ alles zwischen direkt daneben und „irgendwie nah dran“ übersetzbar ist.
Diesen Ansatz gibt es auch beim Umweltbundesamt, dessen Präsident seit 2008 auch Mitglied der grünen Heinrich-Böll-Stiftung ist.
Dort findet man ein Paper, das offen für Tempo 30 wirbt und behauptet, dass das auch überhaupt keinen Unterschied macht. Was gelinde gesagt etwas merkwürdig ist, weil jedes Kind weiß, dass man schnell schneller zum Ziel kommt und langsam eben langsamer.
Die Sättigungsverkehrsstärke beträgt somit bei 50 km/h und bei 30 km/h grundsätzlich 2.000 Kfz je Stunde und Fahrstreifen.
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen_von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdfHier ist erst einmal festzuhalten, dass das Umweltbundesamt eine nicht übliche Definition des Begriffes Sättigungverkehrsstärke verwendet. Die TU Darmstadt sagt dazu:
Die verbreitete Definition der Sättigungsverkehrsstärke bezieht sich auf den Fahrzeugfluss während einer (fiktiven) Grünstunde, ist also unabhängig vom Einfluss des Phasenwechsels.
https://www.verkehr.tu-darmstadt.de/media/verkehr/fgvv/prof_boltze/HEUREKA_2011_-Boltze_Wolfermann-_Zwischenzeiten.pdfUnd für diesen Fall gibt ein wenig Taschenrechnern darüber Auskunft, dass die Sättigungsverkehrsstärke bei „Abstand halber Tacho“ und Tempo 30 bei 1499 PKW liegt, bei Tempo 50 aber bei 1667.
Das heißt, von Tempo 30 auf Tempo 50 steigt dieser Wert um über 11%.
Hier die Formeln:
Berechnung der Sättigungsverkehrsstärke Daraus ist ersichtlich, dass die Funktion mit v gegen unendlich stetig wachsend gegen 7.200 geht.
Damit sollte klar sein, dass das UBA – um das einmal klar Namen zu nennen – lügt.
Allerdings wissen wir alle, dass es so falsch doch nicht ist…
Wenn wir dem miserablen Verkehrsfluss in deutschen Innenstädten einmal auf den Grund gehen so erkennen wir sehr schnell, dass es durchaus ein Problem gibt und dass dieses Problem nicht mit Höchstgeschwindigkeiten zu tun hat, sondern mit:
- Der drastischen Zunahme von Ampeln,
- der Angst vor Kreisverkehren, insbesondere in Kombination mit Straßenbahnen,
- der fehlenden Taktung der Ampeln,
- dem zunehmenden Verkehr,
- dem zunehmenden Lieferverkehr mit der StVO weitgehend ablehnend eingestellten Fahrern,
- der Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Abgelenktheit der Verkehrsteilnehmer,
- dem grundsätzlich eher erratischen Verhalten vieler Verkehrsteilnehmer,
- dem Rückbau von mehrspurigen PKW-Strecken zugunsten von Fahrradwegen,
- in Summe: Dem fehlenden Willen, Verkehrsflüsse zu maximieren, anstatt sie abzuwürgen.
Zur Ampelzahl
Auf der Herner Straße in Bochum, zwischen Nordring und Autobahn 43 liegen ca. 4 km Bundesstraße. Davon ist mehr als die Hälfte aus Gründen der „Luftreinhaltung“ mit Tempo 30 versehen, was einen weiteren Artikel wert ist.
Auf diesen vier Kilometern finden sich mindestens elf Ampeln, d.h. ca. alle 360 m eine.
Mindestens die Ampeln bei Tempo 50 (A40 bis Innenstadt, Länge: 1 km) sind in Richtung Innenstadt auf Grüne Welle bei 50 geschaltet, was aber nichts bringt, weil die Leute durch zahllose Verkehrsinseln, eine Markierung, die so in der StVO nicht vorkommt, den Rückbau auf ca. 2,5 Spuren und die vielen Ampeln so langsam fahren, dass sie es auch außerhalb der Rush-Hour praktisch niemals schaffen, die grüne Welle mitzunehmen. Daraus resultiert aber eine drastisch verminderte Durchschnittsgeschwindigkeit:
Während man bei durchgängig Tempo 50 für den Kilometer 72 Sekunden braucht, braucht es mit einer Rotphase von 60 Sekunden bereits ohne Brems- und Beschleunigungsvorgänge 132 Sekunden, was einer mittleren Geschwindigkeit von 27 km/h entspricht.
Bei Tempo 30 und einer Rotphase sieht der Fall übrigens so aus: Fahrtdauer netto: 120 Sekunden, mit einer Minute Rotlicht 180 Sekunden, mittlere Geschwindigkeit: 20 km/h.
Rechnet man nun die Beschleunigungsvorgänge und die Verzögerungseffekte bei mehreren Wagen hinzu, ist der Unterschied zwischen Tempo 50 und 30 tatsächlich marginal.
Das liegt aber nicht an der Geschwindigkeit, sondern an der Vorliebe der Verwaltung, alle paar Meter eine Ampel als heiligen Gral der Verkehrslenkung zu realisieren.